Hilfsbereitschaft für das Flüchtlingscamp in der Spilburg

Willkommenskultur in Wetzlar auf dem Prüfstand

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Viele BürgerInnen möchten den Menschen in der Spilburg helfen. Gerade durch die derzeitige Hitzewelle fühlen viele mit den ca. 600 Menschen, die in großen Kirmeszelten untergebracht sind.
Die Menschen sind nach einer langen Fluchtodyssee durch Europa zuerst in Wetzlar angekommen. Wetzlar ist nur eine Zwischenstation, eine Notunterkunft, weil im Gießener Erstaufnahmelager kein Platz mehr ist. Sie sollen nur drei Tag hier bleiben, um dann in Gießen aufgenommen zu werden. Manche sind aber nun schon eine Woche hier.

Wie kann man helfen?

 

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Zwei junge Leute hatten eine gute Idee. Sie stellten ein privates „Verkehrsschild“ auf, das Autofahrer auf spielende Kinder hinweisen soll. Die Straße vor dem Flüchtlingscamp ist stark befahren. Viele Autos rasen mit zu hoher Geschwindigkeit an dem Eingang/Ausgang des Flüchtlingslager vorbei. Die Wetzlarer Flüchtlingshilfe hat den Sicherheitsdienst von Anfang an darauf hingewiesen. Bis jetzt hat sich noch nichts getan.

An die Kinder verschenkten gestern Wetzlarer BürgerInnen Bälle und Straßenmalkreide.

Eine syrische Familie aus Wetzlar nahm drei Frauen zu sich in die Wohnung, damit die Flüchtlingsfrauen sich in Ruhe Duschen konnten. Man darf nicht vergessen, dass die Menschen dort mit ca. 100 – 150 Leuten im Zelt schlafen: Familien mit Kleinkindern, Jugendliche, Ehepaare, Männer und Frauen aus Afghanistan, Albanien, Irak, Syrien, Somalia, Eritrea. Es gibt keine Trennwände. Feldbetten sind der Reihe nach aufgestellt. Auch die sanitären Anlagen haben bei 600 BewohnerInnen ihre Grenzen schnell erreicht.

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Die Flüchtlingshilfe (AK-Flüchtlinge) verteilte letzte Woche schon selbstgefertigte Stadtpläne, damit die Neuankömmlinge sich grob in Wetzlar orientieren können. Man bat den Sicherheitsdienst, die Stadtpläne an die Menschen zu verteilen oder zumindest einen großen Plan im Lager aufzuhängen. Das wurde verweigert. Das Sicherheitspersonal ist angewiesen, keine Information nach „außen“ zu geben und auch keine hineinzulassen. Es gibt vor Ort keinen Ansprechpartner/-in, der Hilfen von außen koordinieren könnte. Der AK-Flüchtlinge hatte 5 Personen vorgeschlagen, die eine Brücke zwischen „außen“ und „innen“ schlagen könnten, bzw. mögliche Hilfsangebote zu koordinieren. Eine feste Anlaufstelle vor Ort wurde vorgeschlagen, aber von dem Regierungspräsidium abgelehnt.

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Daher läuft die Hilfe von außen sehr spontan und unkoordiniert. Eine Frau verteilte gestern 200 Wasserflaschen. Andere BürgerInnen brachten frisches Obst, verteilten Hygieneartikel und Badelatschen. Das Regierungspräsidium und der Sicherheitsdienst sehen das nicht sehr gerne. Gerade bei Lebensmittel befürchtet man eine Übertragung bakterielle Infekte.

Der AK-Flüchtlinge wird sich am Montag in Wetzlarer Tafel Laden zusammensetzen (19.30 Uhr), um zu überlegen wie eine kontinuierliche und realitätsnahe Hilfe aussehen kann. Dabei hofft sie auf eine transparente Kooperation mit den Verantwortlichen des Regierungspräsidiums.

Kritik an der Flüchtlingsaufnahme

Für alle, die sich nun über die Flüchtlinge in der Spilburg beklagen, ein kurzes Schlusswort: Die derzeitige Aufnahmequalität ist grenzwertig. Ob bei Hitze oder Kälte – 600 leidgeprüfte Menschen auf so einem engen Raum unterzubringen, ist ein für unsere Verhältnisse gewagtes Unterfangen, das schnell behoben werden muss. Wer an den Zelten vorbeifährt, um dann in das klimatisierte Einkaufszentrum zu fahren, fragt sich schon, ob europäische Standards der Flüchtlingsaufnahme hier eingehalten werden?

Alle, die das Flüchtlingscamp nun instrumentalisieren, um rassistische und menschenverachtende  Hetze zu betreiben, kann man nur strafrechtlich „beistehen“. Auch hier müssen die Sicherheitsdienst, aber auch die BürgerInnen und AnwohnerInnen wachsam sein, um die Flüchtlinge vor Angriffen aus der rechten Ecke zu schützen.

Wir haben mit einigen Flüchtlingen gesprochen. Die meisten haben einen langen und gefährlichen Weg hinter sich – oft auch über das Meer. Viele sind nur mit einem Teil ihrer Familie gekommen oder sogar ganz alleine. Vor dem Zeltcamp trafen wir Jungs aus Afghanistan, die über Pakistan, Iran, Türkei, Bulgarien, Ungarn schließlich in Deutschland angekommen sind. Ein taubstummes Kind freute sich gestern sehr über einen kleinen Ball, den es von jungen Wetzlarerinnen geschenkt bekam. Lange Wege haben sie zu Fuß hinter sich gebracht. Eine junge Frau hat ihre Kinder und ihren Mann in Damaskus lassen müssen, weil sie den schweren Weg nicht geschafft hätten. Gestern telefonierte sie zum ersten Mal mit ihren Kindern. Die Kinder fragten, ob es in Deutschland schneien würde? Die junge Frau träumt davon, irgendwann ihre Familie aus dem syrischen Kriegsgebiet herausholen zu können. „Meine Tochter wünscht sich ein eigenes Zimmer mit weißen Tapeten und pinkfarbenden Gardinen!“ Möge der Traum in Erfüllung gehen.

 

Joachim Schaefer

 

 

 

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