Einrichtung eines europäischen zivilen Seenotdienstes, Eröffnung von legalen Einwanderungsmöglichkeiten, Humanitäre Einreiseprogramme für Syrer und Iraker, keine Zurückweisungen an den Grenzen
PRO ASYL erachtet den 10-Punkte-Plan, der beim Europäischen Rat beschlossen werden soll, als nicht ausreichend. Der Vorstoß zielt vorrangig darauf ab, Flüchtlinge von der Flucht abzuhalten. Als Sofortmaßnahme muss die italienische Marineoperation Mare Nostrum reaktiviert und europäisch finanziert werden. Ein ziviler europäischer Seenotrettungsdienst muss aufgebaut werden. Der Ausbau von Frontex und die Verdoppelung des Etats ist keine Lösung. Frontex schützt die Grenzen, nicht die Flüchtlinge.
Ungelöst bleibt die Frage, wie Flüchtlinge legal nach Europa einreisen können. Bei der Bekämpfung der sog. Schlepper befürchtet PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt, dass „Europa nur einen weiteren Wall um die Festung Europa ziehen will. Schlepper sind die Folge einer hochgerüsteten europäischen Grenze. Wer Flüchtlinge schützen will, muss legale Wege nach Europa öffnen.“
PRO ASYL fordert eine grundlegende Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik. Aus Sicht von PRO ASYL sind kurzfristig vorrangig erforderlich:
Dazu gehören:
Rettung aus Seenot und Transport in einen europäischen Hafen. Auch eine Evakuierung der perspektivlos in Libyen festsitzenden Flüchtlinge muss ins Auge gefasst werden. PRO ASYL fordert die Einrichtung eines europäischen Seenotdienstes. Als Sofortmaßnahme muss die italienische Mare Nostrum Operation reaktiviert werden. So Gerettete müssen die Möglichkeit haben, in andere EU-Staaten weiterzureisen. PRO ASYL appelliert, auch für die Ägäis eine Seenotrettungsaktion zu planen. In diesem Sommer werden dort rund 100.000 Flüchtlinge, vor allem aus Syrien, Afghanistan, Irak, Eritrea erwartet. Der benötigte Etat für ein umfassendes Seenotrettungsprogramm liegt bei weit über 10 Millionen Euro monatlich. Soviel hatte die italienische Operation Mare Nostrum gekostet. Die EU-Staaten wollen für Triton 6 statt 3 Millionen Euro monatlich zur Verfügung zu stellen, zu wenig.
– Keine Zurückweisungen an den Grenzen. Aufgrund der Instabilität in Libyen wird sich die Fluchtbewegung, vor allem aus Syrien, bald zum Teil in Richtung Türkei und damit in Richtung Ägäis oder der türkisch-griechischen Landgrenze verlagern. Die bisherige Praxis der Zurückweisung Schutzsuchender vor allem an den Landgrenzen muss beendet werden, die Grenzen müssen passierbar sein.
– Erteilung von Visa: An die Bundesregierung appelliert PRO ASYL, als Sofortmaßnahme die humanitären Aufnahmeprogramme für Syrer fortzusetzen, an die EU-Staaten, neue aufzulegen. Mehr als 60.000 Syrer mit Angehörigen in Deutschland haben keine Chance auf legale Einreise, weil die Aufnahmeprogramme ausgelaufen sind. In ganz Europa wurden rund 40.000 syrischen Flüchtlingen Aufnahmeplätze angeboten. Ein Armutszeugnis in Anbetracht von fast 4 Millionen SyrerInnen, die außer Landes geflohen sind.
– Auch für vor dem IS-Terror fliehende irakische Flüchtlinge sind großzügige Aufnahmeprogramme erforderlich. Die Ankündigung der Bundeskanzlerin vom 2. September 2014 muss umgesetzt werden.
– Darüber hinaus muss es für Flüchtlinge – etwa aus Staaten wie Eritrea und Somalia, wo die Schutzbedürftigkeit auf der Hand liegt – Möglichkeiten der legalen Einreise geben, zum Beispiel durch die Aussetzung der Visumspflicht.
– Änderung der Dublin-Verordnung: PRO ASYL appelliert an die Europäische Union, Flüchtlingen die Weiterreise aus den Grenzstaaten der EU zu ermöglichen. Mehrere Hunderttausend Flüchtlinge, deren Ankunft zu erwarten ist, können nicht allein in den Staaten an der EU-Außengrenze aufgenommen und deren Asylanträge bearbeitet werden.
– Resettlement: Das angedachte Pilotprojekt zum freiwilligen Resettlement ist nebulös. Im Gespräch sind weitere 5.000 Plätze – absolut unzureichend angesichts der Flüchtlingskrise vor Europas Toren. Bisher stellt Europa nur 5.500 Resettlement-Plätze zur Verfügung.
– Deutschland muss bereit sein, mehr Flüchtlinge als andere EU-Staaten aufzunehmen. Die größten Communities von syrischen, irakischen und afghanischen Flüchtlingen befinden sich in Deutschland: Über 130.000 Syrer, rund 90.000 Iraker und rund 75.000 Afghanen leben z.T. seit Jahren in Deutschland. In anderen EU-Staaten leben weitaus weniger Menschen aus den genannten Staaten. Flüchtlinge müssen die Möglichkeit erhalten, dort Schutz zu suchen, wo sich ihre Familien und Angehörigen befinden.
– Keine Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in nordafrikanische Staaten. PRO ASYL weist darauf hin, dass faire und rechtsstaatliche Asylverfahren nach europäischen Standards nicht in Transitstaaten stattfinden können. Und selbst wenn: Bislang fehlt die Bereitschaft Europas, dort als schutzbedürftig Anerkannte in Europa aufzunehmen. Das Pilotprojekt des UNHCR in Tunesien (Choucha), wo Aufnahmeplätze für die dort Anerkannten gesucht wurden, ist gescheitert. Nur einige hundert Menschen wurden in Europa aufgenommen.
Presseerklärung
22. April 2015