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Menschenrechte als Eckpfeiler der Flüchtlingspolitik

Presseerklärung

1. Oktober 2015

Menschenrechte als Eckpfeiler der Flüchtlingspolitik – Amnesty und PRO ASYL fordern nachhaltige Lösungen auf europäischer und nationaler Ebene

BERLIN, 01.10.2015 – Zum Nationalen Tag des Flüchtlings warnen Amnesty International und PRO ASYL vor weiteren Abschottungsmaßnahmen an den Außengrenzen und innerhalb der EU sowie vor Verschärfungen im Asylrecht. Stattdessen müssen jetzt auf dem positiven zivilgesellschaftlichen Engagement aufgebaut und nachhaltige Lösungen beschlossen werden, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene.

„Jede Form der Abschottung schafft erst recht Probleme und verschiebt diese nur in andere Regionen. Wenn die EU mit anderen Staaten in der Flüchtlingsfrage kooperiert, dann muss das Wohl der Schutzsuchenden und die Einhaltung ihrer Menschenrechte oberste Priorität haben“, so Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty in Deutschland. PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisierte den Versuch, die Türkei zum Türsteher Europas zu machen.

Auf Ablehnung bei beiden Organisationen stößt auch der Militäreinsatz im Mittelmeer, an dem sich die Bundeswehr beteiligen soll. „Wenn die Europäische Union Militär gegen Schlepper einsetzt, gefährdet sie die Flüchtlinge. Den verzweifelten Menschen wird der letzte Fluchtweg versperrt“, sagt Burkhardt. PRO ASYL und Amnesty fordern sichere und legale Zugangswege für Flüchtlinge in die Europäische Union. „Nur eine konsequent an den Menschenrechten orientierte Außenpolitik würde dem Ausbruch gewaltsamer Konflikte nachhaltig vorbeugen und so verhindern, dass Menschen sich auf die Flucht machen müssen“, ergänzt Çalışkan.

„Auch innerhalb der EU dürfen Grenzzäune und Mauern nicht zur Normalität und Ungarn darf nicht das Paradebeispiel der europäischen Flüchtlingspolitik werden“, so Çalışkan in Reaktion auf die Ereignisse der letzten Wochen. Vergangene Woche hatten die EU-Regierungschefs unter anderem die Einrichtung von sogenannten Hot Spots in den EU-Staaten mit Außengrenze beschlossen. Aus diesen Hot Spots sollen dann bestimmte Flüchtlinge in andere EU-Staaten verteilt werden. „Durch die Hot Spots könnten menschenunwürdige Haftlager innerhalb der EU entstehen“, warnt Burkhardt.

Beide Organisationen kritisieren den aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Asylrecht, der gerade in den Bundestag eingebracht wurde. „Das Gesetz verschärft Konflikte anstatt sie zu lösen. Die Verlängerung des Aufenthaltes in der Erstaufnahme auf sechs Monate wird auf Dauer zu menschenunwürdigen Zuständen führen. Dies ist ein Integrationsverhinderungsgesetz: Wenn man die Möglichkeit hat zu Freunden oder Verwandten zu ziehen, dann muss einem das erlaubt werden“ so Burkhardt. „Es ist uns unverständlich warum nach mehrfacher Überarbeitung der Gesetzentwurf weiterhin die menschenrechtswidrigen Leistungskürzungen und die Ausweitung der vermeintlichen „sicheren Herkunftsstaaten“ Teil des Programms sind“, sagt Çalışkan.

Sowohl Çalışkan als auch Burkhardt zeigen sich irritiert über die mangelnde Einbeziehung der Zivilgesellschaft und kritisieren den Ablauf als „Hauruckverfahren“. Amnesty International und PRO ASYL appellieren an die Bundestagsabgeordneten jetzt noch ihren Einfluss geltend zu machen, um die kritisierten Verschärfungen zu verhindern. „Es ist ein Angriff auf die Menschenwürde und die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, wenn Menschen außer Landes getrieben werden, indem man ihnen die Sozialleistungen unter das menschenwürdige Existenzminimum kürzt“, sagt Burkhardt.

Hilfsbedürftige werden als Schachfiguren missbraucht

Presseerklärung

14. September 2015

 

PRO ASYL zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen

Hilfsbedürftige werden als Schachfiguren missbraucht

 

Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen durch die Bundesregierung erachtet PRO ASYL als Missbrauch von hilfsbedürftigen Flüchtlingen zur Durchsetzung politischer Interessen. „Die Flüchtlinge werden von Deutschland behandelt wie die Bauern auf dem Schachfeld der Mächtigen“, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Deutschland möchte offensichtlich Druck auf die anderen EU-Mitgliedstaaten ausüben. Grenzkontrollen werden die Flucht der Menschen nicht verhindern. Aber sie werden das Leid der Flüchtlinge vergrößern, sie auf längere Wege in der anbrechenden Kälte durch Europa verweisen. Neue Profitmöglichkeiten für Schlepper werden geschaffen.

 

PRO ASYL fordert die Öffnung der Grenzen in der EU und legale Zugangsmöglichkeiten für Flüchtlinge. Wir erwarten, dass Staaten wie z.B. Frankreich, Großbritannien und Dänemark ihre Grenzen öffnen und bereit sind Flüchtlinge einreisen zu lassen.

 

Zusätzlich muss die Zuerkennung eines Schutzstatus für Flüchtlinge durch einen EU-Mitgliedstaat von allen anderen EU-Staaten anerkannt werden. Flüchtlinge brauchen europäische Freizügigkeit, sie hätten dann die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz frei zu suchen und zu denjenigen Menschen zu gelangen, zu denen sie Verbindungen haben. Nach jetzigem Recht müssen sie de facto 5 Jahre im Land der Ersteinreise und der Anerkennung ausharren (Daueraufenthaltsrichtlinie Artikel 4).

 

PRO ASYL erachtet über dies die Einführung der Grenzkontrollen als rechtswidrig. Nach § 25 Abs. 1 des Schengener Grenzkodex kann ein Mitgliedstaat die Binnengrenzen kontrollieren, sofern eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit sofortiges Handeln erfordert. Zunächst können die Kontrollen für zehn Tage eingeführt werden. Die Anwendbarkeit dieser Regelung trifft auf die derzeitige Situation nicht zu. Flüchtlinge sind Schutzsuchende und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung.

 

Die Einführung von Grenzkontrollen schafft neue Gefahren – die Flüchtlinge sind gezwungen, über Wald und Wiese ins Land zu kommen und im Freien zu campieren. Die derzeitige Belastung bei der Erstaufnahme wird hierdurch nicht entschärft, sondern nur verlagert. PRO ASYL geht davon aus, dass keine Grenzkontrolle tausende von Schutzbedürftigen davon abhalten kann, innereuropäische Grenzen zu überschreiten.

 

PRO ASYL fordert eine Entbürokratisierung der Aufnahme in Deutschland. Wer die Möglichkeit hat, bei Verwandten oder Bekannten unterzukommen, muss dies dürfen. Der Zwang bis zu 3 Monate, nach den aktuellen Plänen der Regierung bis zu 6 Monate, in der Erstaufnahme auszuharren, muss aufgehoben werden. PRO ASYL geht davon aus, dass ein erheblicher Anteil der syrischen, afghanischen und irakischen Flüchtlinge in Deutschland bei Bekannten und Verwandten unterkommen kann. Hier leben europaweit die größten Communities dieser Flüchtlingsgruppen.

 

Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen

Pressemitteilung Regierungspräsidium Gießen

Witteck schafft gutes Fundament für die Bewältigung der Flüchtlingsaufgaben

„Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen“, sagt Regierungspräsident (RP) Dr. Lars Witteck. Daher hat der RP angesichts der ständig wachsenden Flüchtlingszahlen und der neusten Prognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit Wirkung vom 1. September eine behördenübergreifende Projektgruppe, bestehend aus Mitarbeitern der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung und des Regierungspräsidiums Gießen, ins Leben gerufen. Mit dieser Organisationsstruktur sollen alle relevanten Bereiche des Flüchtlingswesens von der Unterbringung, der Koordination der Außenstellen sowie der externen Dienstleister über die ärztliche Versorgung und die Materialbeschaffung bis hin zur Personalgewinnung und der Rückführung derjenigen, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde, abgedeckt werden.

„Um jeden in Hessen ankommenden Flüchtling adäquat aufnehmen zu können, ist es unabdingbar, dass alle mit der Unterbringung befassten Stellen Hand in Hand arbeiten und bestehende Strukturen den gewachsenen Anforderungen angepasst werden“, erläutert Witteck sein Vorgehen. Die neue Organisationsform sei ein gutes Fundament für die Bewältigung der anstehenden Flüchtlingsaufgaben und ermögliche eine eng verzahnte Zusammenarbeit und kurze Kommunikationswege. Mit Ministerialrat Ralf Stettner als neuem Leiter dieser Projektgruppe habe er zudem einen mit Stabsarbeit bestens vertrauten Kollegen aus der Hessischen Staatskanzlei gewinnen können.

„Aufgrund der massiv gestiegenen Flüchtlingszahlen in den letzten Wochen und Monaten konnte die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Gießen ihre Aufgaben mit dem vorhandenen Personal und der klassischen Verwaltungsstruktur nicht alleine schultern“, so der RP. Daher sei bereits seit geraumer Zeit ein Großteil der Belegschaft aus allen Bereichen des Regierungspräsidiums unterstützend tätig. Dies geschehe sehr lösungsorientiert und häufig weit abseits der gewohnten Arbeitsweisen. Darüber hinaus seien knapp 60 Mitarbeiter aus der gesamten Landesverwaltung ins Regierungspräsidium abgeordnet, um unterstützend tätig zu werden. „Inzwischen haben selbst 15 pensionierte Landespolizeibeamte ihre Hilfe angeboten, die wir gerne annehmen“, so Witteck.

„Ich bin sehr erfreut über die große Unterstützung, die uns in diesen Tagen aus allen Bereichen der Landesverwaltung zuteilwird und die uns die Möglichkeit eröffnet, diese große Herausforderung zu meistern“, dankt Witteck allen Beteiligten. Angesichts seines bevorstehenden Ausscheidens sei er froh, einen geordneten Übergang seiner Amtsgeschäfte gewährleisten zu können.

Flüchtlinge im Wetzlarer Zeltcamp drohen mit Hungerstreik

Flüchtlinge im Wetzlarer Zeltcamp drohen mit Hungerstreik.

Videos folgen…

keinetiere02 - 1Sie leben nun zwei Monate unter grenzwertigen Bedingungen und können nicht nachvollziehen, warum sie nicht in eine feste Unterbringung umziehen können. Viele hatten ihren „Zuweisungstermin“ schon Anfang August, jedoch wird der Transfer in eine feste Wohnung oder Zimmer immer wieder verschoben. Flüchtlinge im Wetzlarer Zeltcamp drohen mit Hungerstreik weiterlesen

Menschenrechtsinstitut mahnt zur Sachlichkeit in Asyldebatte

Menschenrechtsinstitut mahnt zur Sachlichkeit in Asyldebatte

Berlin – Das Deutsche Institut für Menschenrechte mahnt zur Sachlichkeit in der Asyldebatte. In den Diskussionen über die Flüchtlingspolitik in Deutschland sind zunehmend Äußerungen zu hören, die wie Anfang der 1990er Jahre Stigmatisierung, Rassismus und Gewalt befördern. Dazu erklärt das Institut:

„Die demokratischen Parteien in Bund, Ländern und Kommunen sollten sich dringend darauf verständigen, sachlich über Schutz suchende Menschen zu sprechen. Zur Beachtung der menschen- und flüchtlingsrechtlichen Verpflichtungen gehört es auch, Flüchtlinge nicht pauschal zu verdächtigen und zu diskriminieren. Das ist notwendig, um sich von populistisch und rassistisch agierenden Parteien und Gruppierungen wie der NPD, AfD und Pegida abzugrenzen. Diese versuchen gegenwärtig, den Diskurs auch auf der lokalen Ebene zu beeinflussen, indem sie etwa Protest gegen Unterkünfte von Asylsuchenden initiieren und Bedrohungsszenarien schüren.

Debattenbeiträge, die Menschen vom Westbalkan mit dem Schlagwort ‚Asylmissbrauch‘ in Zusammenhang bringen, missachten das individuelle Recht auf Asyl. Wesentlicher Bestandteil dieses Rechts ist, dass jeder Mensch Zugang zu einem Asylverfahren hat, in dem unvoreingenommen geprüft wird, ob die Voraussetzungen für Schutz vorliegen. Wer einen Asylantrag stellt, übt dieses Recht aus, er missbraucht es nicht.

Gruppen von Menschen aufgrund ihrer Herkunft unter den Pauschalverdacht zu stellen, sie würden Rechte missbrauchen, ist in der Rhetorik diskriminierend, populistisch und gefährlich. Auch in Ländern des Westbalkans kommt es zu schwerwiegenden Gefährdungslagen für einzelne Menschen, die ein Recht auf Schutz begründen können.

Vor gut zwanzig Jahren wurde das deutsche Asylrecht durch den sogenannten ‚Asylkompromiss‘ weitgehend eingeschränkt. In Politik und Medien war zuvor unter Schlagworten wie ‚Asylmissbrauch‘ massiv eine Einschränkung des Rechts auf Asyl gefordert worden; es kam zu einer regelrechten Stimmungsmache gegen Flüchtlinge. Es folgten unzählige Angriffe und Anschläge auf Asylsuchende und ihre Unterkünfte, auf Migrantinnen und Migranten und ihre Wohnungen, bis hin zu mehrtägigen Pogromen und Mord. Die Tatorte Hoyerswerda, Hünxe, Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen sind über Deutschland hinaus bekannt geworden. Überwiegend junge Täter fühlten sich offensichtlich im Recht und meinten, Rückhalt in der Bevölkerung zu haben.

Erfahrungen wie diese sollten alle politisch Verantwortlichen lehren, heute in der öffentlichen Debatte die Menschenrechte von Flüchtlingen zu achten und zu verteidigen.“

Weitere Informationen:

Hendrik Cremer (2013): Die Aslydebatte in Deutschland: 20 Jahre nach dem Asylkompromiss.

http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/show/essay-no-14-die-asyldebatte-in-deutschland-20-jahre-nach-dem-asylkompromiss/

 

Pressemitteilung

29.07.2015