Angriff auf Kirkuk befürchtet


Deutschland und die EU sollen zwischen Irakisch-Kurdistan und der Regierung im Irak vermitteln

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und viele Kurden vor Ort im Nordirak befürchten einen groß angelegten Angriff der irakischen Armee und irakisch-schiitischer Milizen auf die erdölreiche Stadt und Region Kirkuk. „Es ist dringend notwendig, dass sich Deutschland und die EU sofort einschalten und eine Vermittlerrolle zwischen der Regionalregierung von Irakisch-Kurdistan in Erbil und der von Schiiten beherrschten Regierung in Bagdad einnehmen“, sagte der GfbV-Nahost-Referent Kamal Sido am Freitag in Göttingen. Wie die Armee werden auch die schiitischen Milizen von Bagdad gesteuert. Sie kooperieren zudem mit dem Iran. Die Zugehörigkeit der Region Kirkuk mit der gleichnamigen Stadt ist umstritten. Sowohl die mehrheitlich sunnitischen Kurden als auch die Zentralregierung beanspruchen sie für sich. Kurdische Peshmerga haben in den vergangenen drei Jahren im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) wichtige Stellungen in der Provinz Kirkuk unter ihre Kontrolle gebracht.

Der irakische Generalstab dementiert zwar, dass eine Militäroperation zur Rückeroberung von Kirkuk gestartet wurde. Doch nach Informationen der GfbV aus Irakisch-Kurdistan werden immer mehr schiitische Milizen vor allem in den beiden Ortschaften Beshir und Taza Kormatu nicht weit von Kirkuk zusammengezogen. Diese Milizen sollten in der Region gegen den IS kämpfen. Die kurdische Regionalregierung hatte der Anwesenheit dieser Truppen zugestimmt, weil die beiden Ortschaften mehrheitlich von schiitischen Turkmenen besiedelt sind. „Jetzt sieht es ganz so aus, als wollten sich die schiitischen Milizen, der Iran und die Türkei nach der Schwächung bzw. der Zerschlagung des IS auf den Kampf gegen die Kurden konzentrieren“, warnte Sido.

Die irakische Regierung hätte den Konflikt um die Zugehörigkeit der so genannten umstrittenen Gebiete wie Kirkuk, Sinjar, Khanaquin und Mandali längst lösen müssen, betonte der Menschenrechtler. Dies verlange auch Artikel 140 der irakischen Verfassung. Darin ist festgeschrieben, dass Bagdad angemessene Maßnahmen ergreift, die Spuren der Unterdrückungspolitik unter Saddam Hussein in bestimmten Gebieten des Landes zu beseitigen, darunter auch in Kirkuk. Damals wurde die Bevölkerungsstruktur gewaltsam verändert. Der Artikel schlägt Wiedergutmachung, Entschädigung, aber auch Repatriierungen vor. Die Grenzen der nordirakischen Distrikte, die das Regime von Saddam Hussein willkürlich ändern ließ, sollten einer „Überprüfung“ unterzogen werden. In drei Stufen sollte zu einer Lösung gefunden werden: In einer ersten Phase sollte die Normalisierung der Lage erreicht werden, in der die Siedler freiwillig in ihre alten Gebiete zurückkehren. In der zweiten Phase sollten die vertriebenen Kurden, Turkmenen und andere ihr Eigentum zurückerhalten. Dann sollten die alten Grenzen der Provinz wiederhergestellt werden. Auch eine Volkszählung ist vorgesehen. Abschließend sollte in einem Volksbegehren über die Zugehörigkeit der Region entschieden werden.

PRESSEMITTEILUNG     Göttingen, den 13. Oktober 2017 – Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)

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